Lieschen Müller die Eurokrise erklären?

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03.02.2012 Fünf Abgeordnete aus Bund und Land waren am Mittwoch zu Gast bei den Filstäler Werkstattgesprächen. Wer traut sich denn zu, Lieschen Müller die Situation rund um die Eurokrise zu erklären?

Europa gehört uns allen

Mit diesem Willy Brand Zitat begrüßte Kai Bliesener, der Moderator der Diskussionsrunde, rund 100 Interessierte im Kommunikationszentrum der WMF. Bliesener beschrieb dass dieser Ausspruch mittlerweile wohl nur Wunsch ist, aber nicht das Empfinden der Bürger. Wer findet sich denn noch zu Recht im Dschungel der Eurorettung? Wer von den gewählten Volksvertretern traut sich zu "Lieschen Müller" die Situation der Eurokrise mit den Rettungsmechanismen zu erklären?

Auf diese Frage war zunächst tiefes Schweigen in der Podiumsrunde. Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Linken-Bundestagsfraktion, versuchte dann einen Einstieg ins Thema zu finden. Er macdhte deutlich, dass aus seiner Sicht lediglich eine Bürgschaft für die Banken gestellt wird, die den Staaten Kredite geben und nicht für die Staaten selber.

Klaus Riegert, Bundestagsabgeordneter der CDU erläuterte den Kenntnisstand der Fraktion. Hier gibt es wöchentlich Erklärungen von Kanzlerin und Finanzminister, insofern sein man gut informiert.

Beate Müller-Gemmeke der Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Grünen, meinte, informiert sei man schon, aber der Zick-Zack-Kurs der Regierung ist kaum nachvollziehbar. Die Banken müssen jetzt gerettet werden, weil sie 2009 nicht richtig reguliert wurden.

Werner Simmling FDP-Bundestagsabgeordneter und Wirtschafts- und Finanzexperte, meinte, dies sei kein Zick-Zack-Kurs, sondern eine Reaktion auf den Krisenverlauf, da es kein Lehrbuch gäbe, in dem man nachlesen könne, wie man in einer solchen Situation reagiert.

Rainer Hinderer, der einzige Landtagsabgeordnete in der Runde und Sozial- und Arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, bekannte, dass er nicht in der Lage ist das Thema voll zu erfassen, was auch mit den unvorstellbaren Summen zusammenhängt, die da eine Rolle spielen.
Allerdings ist für ihn Europa mehr als lediglich Wirtschafts- und Währungsunion. Europa bedeutet Frieden und Freiheit, so Hinderer.

Rezepte gegen die Krise?

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Michael Schlecht sprach den Anwesenden aus dem Herzen. Er meint, dass die Krise durch die Stärkung der Binnennachfrage gelöst werden kann. Dafür ist es wichtig, dass die IG Metall ihr Lohnforderung von 6,5% durchsetzt. Die Strategie von Politik und Wirtschaft Arbeit immer billiger zu machen sei der falsche Weg, weil es in eine Lohnkrise und damit in eine Verschuldungskrise führt.

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Dieser These vom Zusammenhang der Lohnerhöhungen und der Stärkung der Binnennachfrage widersprach Werner Simmling. Der FDP Wirtschaftspolitiker lobte die Agenda 2010, weil dadurch Arbeitsplätze geschaffen wurden, die durch zu hohe Lohnforderungen wieder zerstört würden. Simmling spielte immer wieder auf das Thema der Steuersenkung an, vermied es allerdings dies auch deutlich zu benennen.

Den Hinweis des Moderators Bliesener auf 7 Millionen Beschäftigte im prekären Bereich ignorierte der FDP Mann.

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Als Quatsch bezeichnete Beate Müller-Gemmeke die Aussagen der FDP. Das von Brüderle gepriesene Jobwunder ist zu 75% nur schlechte Arbeit, so die Grüne. Sie gab zunächst freimütig zu, dass die Rot-Grüne Regierung in ihrer Zeit Fehler mit der Agenda 2010 gemacht habe. Die Entwicklung, wie sie jetzt zu sehen sei, wurde damals nicht beabsichtigt. Zustimmung gab es von der Grünen zur Aussage von Michael Schlecht, das höhere Löhne der Schlüssel zum Erfolg sind.
Zur Sparpolitik der Euroländer meinte die Bundestagsabgeordnete, dass es nicht funktionieren kann, wenn alle sparen und niemand mehr Geld ausgibt.

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Auch Rainer Hinderer räumte Fehler in der SPD-Politik unter Schröder ein. Dass der Spitzensteuersatz gesenkt wurde war einer der großen Fehler, der muss wieder hoch, so Hinderer.
Nicht Nachvollziehbar für den Landtagsabgeordneten, dass die jetzige schwarz-gelbe Regierung das Instrument der Kurzarbeit nicht fortführt, da es sich doch bewährt hat.

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Klaus Riegert verteidigte naturgemäß den Kurs der Regierung. Das Instrument der Kurzarbeit habe sich bewährt, aber in Zeiten nach der Krise wird es nicht mehr benötigt. Also ist die Entscheidung aus Sicht des CDU-Mannes richtig. Zudem könne das Instrument ja jederzeit wieder im Bundestag beschlossen werden. Dass dieser Beschluss jedoch viel Zeit in Anspruch nimmt, wird dabei ignoriert.

IG Metall in der Tarifrunde 2012

Die IG Metall startet im Frühjahr in eine wichtige Tarifrunde. Hier reagierten die Podiumsteilnehmer unterschiedlich.
Grüne, Linke und SPD sprachen sich unisono für einen ordentlichen Tarifabschluss aus. Die Forderungsempfehlung der Tarifkommission von 6,5% bezeichneten die drei Politiker als angemesse. Wichtig ist, dass der Abschluss nicht weit von der Forderung liegt, sagte Michael Schlecht. Rainer Hinderer fügte hinzu, es sei Zeit für einen ordentlichen Schluck aus der Pulle.

CDU und FDP sehen in der Tarifhoheit ein hohes Gut, warnen allerdings vor überzogenen Forderungen. Tarifautonomie hat viel mit Verantwortung zu tun, so Klaus Riegert. Er würde den Beschäftigten auch 8% gönnen, meinte der CDU`ler, aber das Geld müsse auch verdient werden.

Starke Beteiligung des Publikums

Insbesondere das Thema Leiharbeit spielte bei der Publikumsrunde eine wichtige Rolle. Verschiedene Teilnehmer machten ihrem Unmut Luift über die schlechten Bedingungen der Leiharbeitnehmer. Darauf antwortete Klaus Riegert, dass die moderne Wirtschaft die Leiharbeit zur Flexibilität brauche. Und in der Krise wäre es doch gut gewesen, dass zunächst die Leihbeschäftigung in den Unternehmen runtergefahren wurde.

Fragen um die Schuld der Banken an der Krise und Einfluss der Politik auf Arbeitsbedingungen waren abschließend der Schwerpunkt in der Publikumsrunde.

Filstäler Werkstattgespräche werden weiter gehen

Schon am 15. März finden die Filstäler Werkstattgespräche ihre Fortsetzung. Dann werden wir in der Schuler-Kantine in Göppingensein. Gastredner ist Jörg Hofmann, Bezirksleiter der IG metall Baden-Württemberg

Letzte Änderung: 03.02.2012