Keine Sperrzeit nach Altersteilzeit

IG Metall

11.10.2017 Wenn ein Zeitraum bis zur abschlagsfreien Rente mit Arbeitslosengeld überbrückt werden muss, ist eine Sperrzeit nicht gerechtfertigt so das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 12.09.2017.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 12.09.2017 B 11 AL 25/16 R eine für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Altersteilzeitvertrag positive Entscheidung getroffen.

Auch die IG Metall hat für zahlreiche vergleichbare Verfahren Rechtsschutz gewährt und damit die rechtliche Diskussion um die Bewertung der Zeit der Arbeitslosigkeit nach einer Altersteilzeit zusammen mit der DGB Rechtsschutz GmbH vorangetrieben.

Auslöser der Entscheidung war das im Juni 2016 verkündete RV-Leistungsverbesserungsgesetz, in dessen Zusammenhang nun entsprechend der dortigen Voraussetzungen ("Rente ab 63" mit 45 Versicherungsjahren) ein vorzeitiger abschlagsfreier Rentenzugang eröffnet wurde.

Da ein Altersteilzeitvertrag oft für mehrere Jahre abgeschlossen wird, war in vielen Fällen bei Abschluss des Vertrages diese neue Rentenmöglichkeit noch nicht ersichtlich und konnte nicht in die Planung der Altersteilzeit mit einbezogen werden. Fraglich war daher, wie eine sich im Anschluss an das Altersteilzeitarbeitsverhältnis anschließende Arbeitslosigkeit im Rahmen des SGB III zu bewerten ist, wenn nur noch einige Monate bis zum Beginn einer abschlagsfreien Rente zu überbrücken sind.

Das BSG hat am 12. September 2017 entschieden, dass eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld wegen Aufgabe einer unbefristeten Tätigkeit zugunsten einer befristeten Tätigkeit in diesen Fällen nicht eintritt.

Lückenschließung durch Arbeitslosengeld?

Im konkreten Fall, der nun vom BSG entschieden wurde, schloss die Arbeitnehmerin 2006 mit dem Arbeitgeber, bei dem sie seit 1982 beschäftigt war, einen Altersteilzeitvertrag, der das bestehende unbefristete Arbeitsverhältnis in ein bis 30. November 2015 befristetes Arbeitsverhältnis umwandelte. Sie hatte ursprünglich beabsichtigt, nach Ende der Freistellungsphase vorzeitige Altersrente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen. Davon nahm sie erst Abstand, als zum 1. Juli 2014 eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte eingeführt worden war. Das frühestmögliche Renteneintrittsdatum für die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte lag jedoch später als der zunächst geplante Renteneintritt in die vorgezogene Altersrente mit Abschlägen. Daher meldete sie sich zum 1. Dezember 2015 arbeitslos. Ab 1. März 2016 bezog die Arbeitnehmerin Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Die Agentur für Arbeit lehnte aber die Zahlung von Arbeitslosengeld wegen des Eintritts einer Sperrzeit für einen Zeitraum von zwölf Wochen ab (§ 159 SGB III). Die Anspruchsstellerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund
selbst gelöst.

Nachdem die Anspruchsstellerin in den Vorinstanzen nur eine Verkürzung der Sperrzeit erreichen konnte, hat das Bundessozialgericht entschieden, dass ihr Verhalten den Eintritt einer Sperrzeit nicht rechtfertigt, da sie einen "wichtigen Grund" für sich in Anspruch nehmen konnte.

Der "wichtiger Grund" muss bei Abschluss des ATZ-Vertrages vorliegen.

Die Betroffene hat ihr Beschäftigungsverhältnis zwar dadurch gelöst, dass sie durch eine Altersteilzeitvereinbarung das unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes umgewandelt hat, wodurch sie nach dem Ende der Freistellungsphase zum 1. Dezember 2015 beschäftigungslos geworden ist. Jedoch kann sie sich für ihr Verhalten auf einen wichtigen Grund berufen. Für den Fall der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Altersteilzeitvertrag hat das Bundessozialgericht bereits im Jahr 2009 (Az. B 7 AL 6/08 R) entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer auf einen wichtigen Grund berufen kann, wenn er bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigt, nahtlos von der Freistellungsphase der Altersteilzeit in den Rentenbezug zu wechseln und eine entsprechende Annahme bei prognostischer Betrachtung objektiv gerechtfertigt ist. Dies gilt auch in diesem Fall.

Dass die Beschäftigte von ihren ursprünglichen Plänen dann im Jahr 2014 Abstand genommen hat, weil sich für sie - nachträglich - die Möglichkeit ergab, drei Monate nach dem geplanten Rentenbeginn Altersrente ohne Abschlag zu beziehen, ist für die Beurteilung des wichtigen Grundes unerheblich. Nach Ansicht des Bundessozialgerichts ist dieser Grund nicht deshalb entfallen, weil die Beschäftigte entgegen ihrer ursprünglichen Absicht keine Altersrente mit Abschlägen beantragt hat. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist inhaltlich und auch zeitlich allein bezogen auf den das Beschäftigungsverhältnis auflösenden Akt zu prüfen. Wichtig ist also nur, wie die Situation beim Abschluss des Altersteilzeitvertrages war.

Wer wird sich auf die Rechtsprechung berufen können?

Nach vorläufiger Beurteilung gilt diese Rechtsprechung für alle vergleichbaren Sachverhalte mit Altersteilzeitvereinbarungen, die vor Mitte Januar 2014 abgeschlossen wurden.

Erst nach diesem Zeitpunkt hat die Bundesregierung ihr Gesetzesvorhaben in der Öffentlichkeit vorgestellt. Bei Personen, die nach Veröffentlichung der Gesetzespläne und vor der Verkündung des Gesetzes am 26. Juni 2014 im Bundesgesetzblatt ihren Vertrag geschlossen haben, dürfte nach unserer Ansicht die Situation nicht anders sein, denn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages bestand die neue gesetzliche Regelung noch nicht. Frühestens mit Verkündung des Gesetzes ergab sich -nun auch für eine Planung von Altersteilzeit als Übergang in die Rente - verwertbar, dass und unter welchen Voraussetzungen die Möglichkeit der "Rente ab 63" bestehen werde.

Für alle Verträge, die nach dem 26. Juni 2014 geschlossen wurden, wird man sich jedoch nicht auf diese Entscheidung des BSG berufen können.

Letzte Änderung: 11.10.2017